Kopfjäger und Waldmenschen

Eine Woche Borneo und ich weiß gerade gar nicht wo ich anfangen soll zu schreiben. Das wird wohl ein recht langer Blogbeitrag…

Als Ausgangspunkt für unsere Erkundung von Borneos Tierwelt haben wir uns Kuching, die Hauptstadt Sawaraks im Westen der Insel ausgesucht. Viele reisen auch noch in den Osten Borneos nach Kota Kinabalu, was sich aber glaube ich nur rentiert, wenn man auch den Berg in einer 2- oder 3tägigen Tour besteigen und an der Ostküste tauchen möchte. Dort muss man wohl alles relativ langfristig vorher organisieren, was bei unserer Spontanität in letzter Zeit gar nicht möglich gewesen wäre. Da hatten wir es schon bequemer in der Katzenstadt (Kuching heißt Katze), die wohl seltsamste Stadt, die Sergej und ich je gesehen haben. Am Flußufer und in einem kleinen Bereich drumherum ist es ganz nett, aber der Rest der größten Stadt Borneos wirkt wie kurz vorm aussterben. Sie besteht quasi nur aus zweigeschossigen Shophouses (unten ein Laden, oben Wohnungen oder Büros) die in extem großen Abständen zueinander stehen und sich über einen riesigen Bereich erstrecken. Dazwischen gibt es überdimensionierte Parkplätze und Straßen, die kaum gebraucht werden. Eine 700.000 Einwohner Stadt in der es niemals einen Stau gibt und in der die meisten Läden immer geschlossen haben oder leer stehen. Dazwischen noch einige Hotelhochhäuser und unzählige Einkaufszentren, die aber auch teilweise leer stehen. Da hat wohl mal jemand mit mehr Touristen gerechnet. Entsprechend einfach ist es hier ein gutes günstiges Zimmer zu bekommen, was ja in Malaysia nicht immer der Fall ist. Aber das nur am Rande, wir sind ja nicht wegen der Stadt hier, sondern wegen der Natur rundherum.

Unser erster Ausflug ging mit dem öffentlichen Bus in das Semenggoh Nature Reserve, in dem Orang Utans (Orang=Mensch, Utan=Wald) in einem geschütztem Waldgebiet wieder ausgewildert werden, nachdem sie Jahre in Gefangenschaft verbringen mussten oder bei Wilderern konfisziert wurden. Manche haben echt ganz schön was durchmachen müssen. Sogar in Bordellen werden Orang Utan-Weibchen manchmal gehalten :( Den fast 30 Tieren hier scheint es aber wieder richtig gut zu gehen. So gut, dass sie oft gar nicht mehr zu den zwei täglichen Futterausgaben kommen müssen, da sie auch gut für sich alleine sorgen können. Und so einen Tag haben wir dann auch erwischt, es hat sich nämlich nicht einer blicken lassen. Die Fütterungen finden morgens und nachmittags statt und Besucher dürfen mit gebührendem Abstand zu den Futterplattformen hinter einer Absperrung stehen und zusehen. Ein guter Tag also für die Orang Utans, ein schlechter für uns. So toll die Arbeit der Leute mit den Orang Utans hier ist, einen Haken hat das Semenggoh Nature Reserve allerdings doch. Sie haben auch drei Krokodile aufgenommen, die sonst getötet worden wären. Da bisher keine geeignete Stelle gefunden wurde um sie wieder auszuwildern fristen sie bislang ein sehr trauriges Dasein in viel zu kleinen Käfigen.

Am nächsten Tag machten wir eine Bootstour durch den Kuching Wetlands National Park und hatten mehr Glück. Sawarak ist in diesem Teil durchzogen von unzähligen sich verzweigenden Flüssen an deren Ufern Mangrovenwälder wachsen. Diese Gebiete sind der Lebensraum vieler unterschiedlicher Tiere, die wir Dank unseres Guides auch in ihren Verstecken entdeckten. Fotografieren wollten sie sich aber nicht so gerne lassen. Am Bootsanleger begegneten uns schon 20 cm große Schlammspringer. Als wir zu einer etwas offeneren Bucht kamen, sahen wir auch einige Irrawaddydelfine, von denen ich bisher dachte, sie würden nur in den brackigen Ausläufern des Mekong leben.

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Wir fuhren wieder einen Flußabschnitt hoch, wo ein Krokodil unter den Mangroven döste. Seht ihr es? Ich hätte es auch nicht gesehen.

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Also sind wir etwas näher rangefahren und in 3 m Abstand sah man immerhin den Schwanz zwischen den Bäumen.

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Nicht weit entfernt kamen wir an einem kleinen Dorf vorbei.

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In letzter Zeit werden dank der leer gefischten Flüsse immer mehr Menschen Opfer der hungrigen Krokodile, in diesem Jahr schon 40 in Sawarak. Die Süßwasserkrokodile fressen sonst eigentlich keine Menschen, aber unseres hier lebt im Brackwasser und ist ein Salzwasserkrokodil, welches Menschen auch unter normalen Umständen als Beute betrachtet.

Schließlich entdeckten wir auch noch hoch oben in den Bäumen einen Nasenaffen, der aber bezüglich seiner Nase wohl etwas schüchtern ist. Immer waren irgendwelche Blätter davor.

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Die Nasenaffen heißen auf Bahasa Malay übrigens Orang Belanda, was Mensch aus Holland bedeutet. Die Parallele ist hier wohl nicht die orangene Farbe des Fells, sondern die Größe der Nasen :) Kurz vor Sonnenuntergang hüpfte noch eine Gruppe Silverleaf Monkeys durch die Bäume. Für ein Foto war es leider schon zu dunkel. Der Sonnenuntergang in den Wetlands war sehr schön und ein paar Glühwürmchen bekamen wir als es richtig dunkel war auch noch zu Gesicht.

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Den Bako Nationalpark (NP) haben wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen, diesmal machten wir den Ausflug wieder auf eigene Faust mit dem öffentliche Bus, der bis in das Dorf Bako Bazzar fährt. Dort angekommen taten wir uns mit den einzigen anderen Touristen, einem französischen Pärchen in unserem Alter und einer Engländerin zusammen um ein Boot für 50 RM zu chartern, dachten wir. Das haben die dort gerade mal geändert. Es gibt jetzt einen Ticketstand und pro Person kostet die einfache Fahrt jetzt 20 RM. Die Info der Reiseführer ist mal wieder veraltet. Die Bootsfahrt war kürzer als erwartet und ging durch eine schöne Landschaft. Im Büro des NP bekommt man eine Karte in der die gut markierten Wanderwege mit Längen und Zeitangabe verzeichnet sind, so dass man den NP auch gut ohne Guide erkunden kann. Wir suchten uns den kürzeren Rundweg (Lintang) aus und machten trotzdem einen Gruppenausflug, da die anderen drei beschlossen sich uns anzuschließen. Noch kurz ins Buch der Parkverwaltung eingetragen, damit man auch merkt wenn einer verschwindet, weil er unterwegs vom Krokodil gefressen wurde und es konnte losgehen ;) Ich glaube kaum, dass es auf unserem Weg Krokodile gibt, aber irgendwo im Park müssen welche sein, da hier vor einiger Zeit ein Schuljunge, der zu nah ans Wasser ging, gefressen wurde. Am Strand stießen wir zunächst auf ein paar Makaken, die im seichten Wasser auf der Suche nach Krebsen und Muscheln waren.

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Kurz bevor es in den Dschungel ging, stand ein Wildschwein am Wegesrand, auch auf der Suche nach Essbarem.

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Das sollte es dann aber erstmal mit den Tieren gewesen sein. Der Weg war landschaftlich sehr abwechslungsreich, wettermäßig auch. Erst regnete es und als wir das Sandsteinplateau erreichten, kam die Sonne raus. In diesem Gebiet gab es auch besonders viele Arten an Kannengewächsen.

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Kurz bevor wir wieder an der Parkverwaltung ankamen, entschlossen wir uns in den Weg zu einem Strand abzubiegen an dem sich häufiger Nasenaffen aufhalten. So ging es eine ganze Weile weiter über Stock und Stein bis wir an einem wirklich schönen Strand rauskamen.

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Nasenaffen waren keine zu sehen, aber der Platz war ideal um eine Pause einzulegen und die Schlammspringer zu beobachten. Irgendwann hörte ich dann doch ein paar Laute etwas entfernt im Wald und tatsächlich waren hier Nasenaffen unterwegs.

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Das Gefühl an diesem einsamen schönen Strand zu stehen und die Affen im nahen Dschungel zu beobachten war unbeschreiblich.

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Aber auch dieser Moment ging irgendwann zu Ende, die Affen zogen sich mit geschickten Sprüngen in den dichten Dschungel zurück. Also machten auch wir uns auf den Weg zur Parkverwaltung um uns auszutragen und noch das letzte Boot zurück zum Bus zu bekommen. Inzwischen war Ebbe und die abgestorbenen Mangroven am Strand, an dem das Boot ablegt, verabschiedeten uns noch mit einem letzten schönem Bild vom Bako Nationalpark.

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Meinen nächsten Ausflug machte ich alleine und diesmal lag nicht die Natur sondern die Kultur im Fokus. Ich fuhr zum Sarawak Cultural Village, einem Freilichtmuseum in welchem die indigenen Volksgruppen Sawaraks vorgestellt werden. Das war ganz schön touristisch, vor allem die Tanzshow, die nachmittags stattfindet, aber zumindest sieht man die typische Langhäuser hier noch in ihrer ursprünglichen Bauform.

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Ein paar Angehörige der einzelnen Volksgruppen arbeiten in dem Cultural Village um den Besuchern ihre Lebensweise zu veranschaulichen. Hier ein Angehöriger der Iban vor der reich verzierten Wohneinheit des Häuptlings.

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Die Langhäuser sind praktisch Reihenhäuser auf Stelzen, die durch eine gemeinsame Terrasse verbunden sind.

Ich wollte das ganze nochmal in echt sehen und so engagierten wir einen Fahrer/Guide, der uns ins Hochland in die Nähe der Grenze zu Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, brachte, genauer gesagt in das Dorf Annah Rais, in welchem die Volksgruppe der Bidayuh lebt. Wie im Cultural Village sieht es hier natürlich längst nicht mehr aus.

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Es gibt Strom, fließend Wasser und Fernsehen und Wellblech ist langlebiger als Bambus. Moderne Kleidung und Handy sind selbstverständlich und viele junge Leute haben eine gute Ausbildung und leben nun in der Stadt.

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Die Leute leben heute auch eher vom Tourismus und den Homestaygästen. Pfeffer wird aber immer noch angebaut und Reis wird traditionell in Bambus gekocht.

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Das Headhouse gibt es immer noch. Das ist das Haus, welches früher nur die Krieger betreten durften und wo die Köpfe der Feinde über dem Feuer aufgehängt werden.

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Die Bidayuh sind ein friedlicher Stamm und sie nahmen sich nur die Köpfe, wenn sie angegriffen wurden. Bei den Iban hingegen musste keine Feindschaft herrschen um jemandem dem Kopf abzuschlagen. Es war Teil wichtiger Rituale und die Köpfe wurden sehr verehrt. Vor 200 Jahren hat Raja James Brooks, der erste weiße Herrscher, dies jedoch per Gesetz verbieten lassen. Wann tatsächlich der letzte Kopf fiel, weiß ich allerdings nicht.

Da man auf dem Weg nach Annah Rais sowieso am Semenggoh Nature Reserve vorbei kommt, haben wir am Morgen noch einen zweiten Versuch gestartet Orang Utans zu sehen und diesmal hatten wir Glück. Schon auf dem Weg zum ersten Futterplatz raschelte es in den Bäumen und bald schon kam eine Affenmama mit ihrem Kind den Weg lang gelaufen.

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Als die Tierpfleger mit dem Futter kamen, ließen sich auch noch drei weitere Tiere blicken. Nachdem sie gemütlich gefrühstückt hatten tobten sie noch ein bisschen auf dem Plateau und an den Seilen im Fütterungsbereich rum.

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Die sind echt verdammt putzig und ich bin froh, dass ich sie noch sehen konnte, bevor wir wieder zurück aufs malayische Festland fliegen.